What you did in my head
Aus dem Konzept: “Der Film handelt von Verbindungen der Geschichten, die einer erzählt, mit seinem eigenen Leben. Die Geschichten unterscheiden sich in ihrem Grad an Realität, unterscheiden sich in der Art ihrer Verbindung mit dem Leben der jungen Frau: Eine Geschichte ist biografisch, aus der Vergangenheit. Die zweite Geschichte ist ein Weitererzählen, ein Überliefern einer Geschichte aus dem Erzählschatz der christlichen Familie. Es ist die Paulus-Geschichte. Die dritte Geschichte ist ausgedacht, eine Spekulation über die Zukunft. (…)”
Credits
- Buch, Regie, Schnitt: Florian Geierstanger
- Kamera: Susanne Schranner
- Tonmischung: Tom Rudolph
- März 2009, Jenkofen, Schwabing und Karlsfeld
- Sprache: Niederbayrisch mit engl. UT
- Dauer: 6 min
Vorführungen
- 7. Mai bis 17. Juli 2009 / Ausstellung “Der große P” / Katholische Akademie München / Einladungskarte / Ausstellungskatalog (Auszug)
- 15. Sept 2009 / Filmclub Berlin / Sputnik Kino
Regiestatement
Vor dem Film / Bildbeschreibung
1. Das erste Bild ist das eines Bauernhofs, in einem kleinen Dorf in Niederbayern. Zu dem Hof gehören zwei Wohnhäuser (ein altes aus den 1960er-Jahren, das den Eltern der jungen Frau gehört. Und ein neues ihres Bruders und seiner Frau). Hier ist sie aufgewachsen. Sie spricht mit einem bayerischen Dialekt (wie ihre Mutter, die irgendwann einmal im Hintergrund autaucht). Sie erzählt eine kurze Geschichte aus ihrer Vergangenheit, Kindheit oder Jugend. Von ihrem Heranwachsen auf diesem Hof. Mit dem Kirchturm in Sicht- und Hörweite. Die Erzählung aus ihrer Biografie ist nur ein Fragment, ein kurzer, zusammenhangsloser Ausschnitt.
2. Das zweite Bild ist ein Raum, in dem alte Erzählungen an neue Zuhörer weitergegeben werden. Ein Raum, in dem Geschichten überliefert werden. Ein Erzähl-Raum: Kino. Im Kino ist es dunkel. Der Alltag tritt für zwei Stunden (für die Zeit der Erzählung) in den Hintergrund. Die junge Frau sitzt in einem großen Kinosaal (in der dritten Reihe, links außen, von der Leinwand aus gesehen). Das Saallicht ist noch an, Zuschauer kommen herein (spärlich, es ist die Nachmittagsvorstellung). Dann geht das Licht aus. Werbung beginnt (man hört Musik, im Gesicht der Frau spiegelt sich die wechselnde Helligkeit und Farbigkeit der Leinwand). Die Geschichte, die die junge Frau hier erzählt, erzählt sie nebenbei, leise (ihrem linken Nachbarn, der auf dem Randplatz sitzt). Es ist die Nacherzählung einer uralten Geschichte: wie der Paulus auf Geschäftsreise vom Esel fiel. Vom Blitz getroffen, plötzlich blind. Er ist aus dem Rhythmus geworfen, den sein Leben bis jetzt Tag für Tag bestimmt hat. Die pausenlose Abfolge von Treffen, Entscheidungen, Besprechungen, Befehlen. Diese Routine ist jetzt unterbrochen. Jetzt muss er zurückschauen (in seine Erinnerung, weil seine Augen blind sind). Jetzt betrachtet er seine früheren Entscheidungen. Jetzt sieht er die Auswirkungen seiner Befehle (er hat Menschen ermorden lassen). Jetzt fällt es ihm wie Schuppen von den Augen (seine Grausamkeit). Jetzt kann er nicht mehr weitermachen wie bisher (weil er von sich selbst erschrocken ist).
3. Im dritten Bild nähert sich die junge Frau ihrem Arbeitsplatz. Eine große Firma im Industriegebiet einer Stadt. Sie fährt in ihrem Auto, wie jeden Morgen. Die Kamera schaut von der Rückbank durch die Windschutzscheibe nach vorn. Straße, Berufsverkehr. Firmengebäude. Die Frau ist von hinten sichtbar, leicht im Profil. Lenkrad, Hände. Sie erzählt während des Fahrens. Von ihrer Zukunft. Worauf sie zufährt. Sie fährt auf die Firma zu (Maschinenbau, Lastwagen), und sie fährt auf ihre Zukunft zu. In fünf Jahren – wo könnte sie da sein? Eine kurze Geschichte von der Zukunft. Eine Vermutung. Oder ein Wunsch. Wo würde sie gerne sein, in fünf Jahren oder in zehn? (Wieder nur ein Fragment, ein Ausschnitt)
Nach dem Film / Zur Form
Die Paulus-Geschichte wird in ein Verhältnis gesetzt. Dieses ins-Verhältniss-Setzen soll sie nicht schwächer machen - dadurch dass sie überhaupt erzählt wird ist sie auch eine Möglichkeit / wird sie realer, wirklicher, möglicher.
Erzählt der Film von „einer jungen Frau“ oder von „Birgit“? Ist sie stellvertretend für andere? Oder ist sie nur sie selbstund niemand anders? Im Abspann (es gibt keinen) würde stehen: „Erzähler: Birgit“. Sie ist wie eine Schauspielerin, die in dem Film etwas erzählt. Dazu bringt sie sich (ihr Aussehen, ihren Dialekt, Anekdoten aus ihrem Leben) mit ein. Identisch ist die Erzählerin nicht mit Birgit Wirth (Birgit würde zum Beispiel nicht die Paulus Geschichte erzählen.) – es gibt aber Überschneidungen (Sie fährt auch ohne Film jeden Tag in dem selben Auto zur Arbeit.). Wie wird dieser Unterschied im Film deutlich?
Wie zeigt sich der Bau des Films im Film? Der Kameraschwenk im ersten Bild ist nur anfänglich durch das Fließen des Wassers / Mitverfolgen des davonschwimmenden Blattes motiviert. Dann bewegt sich die Kamera nach oben, weil der Kameramann / der Filmemacher / der Film dem Zuschauer etwas zeigen will. Den Bauernhof. Mit dem Schwenk setzt der Film zwei Sachen miteinandern in Verbidung: Die junge Frau (die von einem Kinderspiel erzählt) und den Bauernhof. Der Film sagt: Schau!
Struktur. Der Film beginnt mit dem Morgen auf dem Bauernhof (Außenraum, Bäume). Der Mittelteil ist in der Nacht im Kino (Innenraum). Das Ende ist am dritten Tag wieder in der Früh auf der Stadtautobahn / Industriestraße (Außenraum, Beton). / Hell. Dunkel. Hell. / Paulus wird blind. Erst jetzt kann er (auf sich selbst) sehen.