Rund für Himmel, eckig für Erde

Rund für Himmel, eckig für Erde

Vietnam öffnet sich dem Westen. In den Strassen Saigons sind die Zeichen eindeutig: europäische Mode, Werbeplakate für Hollywoodfilme, Supermärkte. Und doch behauptet selbst die jüngste Generation von Vietnamesen einhellig: Verändere sich die Wirtschaft noch so schnell, eine Veränderung in den Köpfen der Menschen braucht „hundert Jahre“.

Drei erzählen eine Geschichte: Von einem König der zwanzig Söhne ausschickt die beste Speise der Welt zu suchen. Von einem jüngsten Sohn, der als unterstes Glied der Familienhierarchie nicht genug Geld für eine Reise hat. Und von Göttern, die ihm ein einfaches Rezept einflüstern: ein eckiger Kuchen als Symbol für die Erde, ein runder für den Himmel. Jedes Jahr an Neujahr essen die drei Erzähler selbst von einem eckigen und von einem runden Kuchen: Sa, die gerade ihr erstes Kind bekommen hat. Chinh, der als Grafikdesigner in einer Werbeagentur arbeitet. Und selbst Herr Bergmann isst von den taoistischen Symbolen für Erde und Himmel, obwohl er ein katholischer Pfarrer ist und ein Priesterseminar leitet. Sechs Wochen lang werden sie von drei Europäern mit einer Kamera begleitet: Hanna, eine in London ausgebildete Drehbuchautorin. Florian, der in München Kunst studiert und Johannes, dessen Eltern versucht haben ihn nach ihrer vietnamesischen Lebensauffassung zu erziehen, trotzdem er in Sichtweite des Münchner Hofbräuhauses aufwuchs. Das, was Johannes Eltern versucht haben ihm trotz widriger Umstände mitzugeben, das suchen wir nun im täglichen Leben von Sa, Chinh und Pater Bergmann. Wir suchen nach Spuren von Konfuzius, Tao und Buddha, nach Ahnenverehrung und Animismus, nach Traditionsbewusstsein und nach Auflehnung gegen die Tradition. Dauert es wirklich hundert Jahre, oder hat die westliche Beeinflussung über Funk und Fernsehen die Familienhierarchien schon längst aufgebrochen und durch eine Individualismus-Kultur ersetzt?

Am Schluss werden wir die Geschichte von dem eckigen und dem Runden Kuchen selbst noch einmal erzählen. Dann hoffentlich mit mehr Verständnis dafür was Tradition uns bedeutet.